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Eigene Fähigkeiten und Bedürfnisse kennen und danach handeln

Der Punkt der Energielosigkeit ist eine Zeit des Funktionierens, nichts anderes als überleben in einer rauen Welt ist angesagt. Ein aktives in die Zukunft planen, denken und gehen erscheinen unmöglich. Nahezu logisch, dass zu diesem Zeitpunkt Stärken nicht sichtbar sein können. Deshalb empfehle ich: Innehalten, Energie tanken, im nächsten Schritt auf die persönlichen Stärken konzentrentieren und dann entsprechend mit der mir eigenen Ausstattung handeln.

Immer wieder und besonders in Phasen der Veränderung stellen reflektierende Menschen sich die Fragen: Wer bin ich? Was macht mich aus? Lebe ich entsprechend meinem inneren Wesen, meinen Talenten und Fähigkeiten? Ich halte diese Fragen für sehr bedeutungsvoll, denn was uns in die Wiege gelegt worden ist, zählt automatisch zu unserem Wesenskern. Je besser wir unseren inneren gesunden Kern kennen, desto eher besitzen wir auf unserem Lebensweg eine gewisse Leichtigkeit, erleben wir Freude und erkennen den Sinn unseres Seins. Wenn wir unsere Potentiale leben und ich-bewusst sind, gelingt es uns leichter, durch herausfordernde Zeiten zu gehen. Dann wollen wir in einer Krise dazulernen, begrüßen Veränderungen, wollen uns testen und beobachten, wie wir zurechtkommen und wie gut es uns gelingt, flexibel und positiv auf der Welle zu surfen, die sich gerade vor uns aufbaut.

Hingegen berauben wir uns dieser Freuden und unserer Gesundheit, wenn wir unsere Anlagen brach liegen lassen und nicht in unser Leben integrieren. Leider ist es immer noch so, dass wir in unserem gesellschaftlichen System nicht stärkenorientiert aufwachsen können, sondern der Fokus immer noch zu sehr auf den Schwächen liegt. Ich sage das völlig wertfrei, klage niemanden an, es ist so, gesellschaftliche Veränderungen brauchen offensichtlich ihre Zeit.

Was sind meine Stärken?

Was sind Ihre Stärken? Selten beginnt das Gegenüber bei dieser Frage zu sprudeln, aber jeder kann mir von seinen Schwächen berichten. Wir lernen in unserer Biografie sehr bald, was wir nicht können. In der häuslichen Umgebung mag die Orientierung an den Potentialen noch gut gelingen, spätestens ab dem Eintritt in das Schulsystem geht dieser Fokus oft verloren. Bildungsziele, Lehrpläne, oft überforderte Pädagoginnen und Pädagogen, gestresste Eltern – das lustvolle, neugierige Lernen, das Kreative hat oft keinen Platz mehr. Es wird im Gleichschritt das gleiche Wissen für alle hineingeschüttet, für eigene Gedanken ist kein Platz mehr, das neue Wissen misst sich über die Testblätter, das Ergebnis ist ausschlaggebend für den Stresspegel in der Familie. Wertschätzung und Selbst-bewusstsein sind nun eng mit dem Schulerfolg verknüpft, die Eltern kämpfen sich gemeinsam mit dem Kind durch die Schuljahre, im ungünstigen Fall wird der Heranwachsende alleine gelassen. Ja, sie schaffen es alle irgendwie, manche Kinder arrangieren sich sogar bemerkenswert gut mit diesem Leben. Das kreative, lesende, schreibende, zeichnende Kind hat sich dann jahrelang sehr intensiv mit den Regeln der Mathematik beschäftigt. Das kreative, mathematische Kind hat sich dann jahrelang den Regeln der deutschen, englischen und französischen Sprache gewidmet und quasi im Gegenzug das Lustvolle an der Mathematik nie erfahren, weil das für das Kind passende Tempo und das Entdecken von Zusammenhängen nicht vorgesehen war. Beide Kinder landen mit ihren ursprünglich angelegten Talenten im Mittelmaß, die späteren, beruflichen Entscheidungen könnten davon ungünstig beeinflusst werden und lebenslang ein Thema bleiben.

Bei Kindern im Vorschulalter und Kindern, die natürlich, geliebt und frei aufwachsen, zeigt sich schnell, was sie gut können, denn das wiederholen sie lustvoll und leidenschaftlich, gestalten und leben ihre Fähigkeiten und Talente. Schülerinnen und Schüler beginnen wahrscheinlich mit jener Hausübung, die sie gerne machen, mit dem, was ihnen leichtfällt. Erwachsene gehen umgekehrt vor, sie heben sich die interessanten Dinge bevorzugt für den Schluss auf, erledigen meist die unangenehmen Bereiche zuerst und haben dann für die energiespendenden Dinge keine Zeit mehr.

Richtig und zielführend wäre es natürlich, den Fokus auf die Stärken zu lenken und sich weniger damit zu beschäftigen, was ein Kind nicht kann. Aus der Stärke heraus ergibt es sich, dass wir irgendwann als lernende Wesen uns mit anderen neuen Themen beschäftigen, unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten erweitern oder uns als Persönlichkeit entwickeln wollen.

Wo sind meine Talente?

Gleichzeitig erlebe ich sie schon – eine neue Bewegung am Förderungshimmel – immer mehr Pädagoginnen und Pädagogen aus den unterschiedlichen Bildungsrichtungen vom Elementarbereich bis zum Sekundären Bildungsbereich entwickeln „neue Methoden“ der Wissensvermittlung, mit dem Ziel, lustvolles und freudvolles Lernen und Neuentwickeln zu ermöglichen – Danke!

Jeder von uns sollte wissen, woher er kommt, sollte erkennen, wo sein Herz aufgeht, wo er sich daheim fühlt, wo sein Ursprung, seine Quelle ist. Solange ich beispielsweise glaube, dass ich chaotisch und somit nicht okay bin, dann wird es für das Kind problematisch, wenn es für sein Wesen und sein Tun immer gerügt wird. Es fehlt der Freiraum, um im Chaos etwas Kreatives zu schaffen. Das Geniale, das Neue entsteht meist aus einem Chaos heraus und nicht aus der Struktur und der Ordnung.

Wer die pädagogische Ratgeberliteratur über die Jahrzehnte verfolgt, erkennt schon an den Titeln, wie sich unser Verständnis von Erziehung laufend verändert. Erziehung? Ein altes Wort aus dem letzten Jahrtausend, wir erziehen unsere Kinder ja nicht mehr, wir ziehen ja nicht an ihnen, sondern lassen den gelegten Samen wachsen und achten behutsam auf dessen Wohlergehen. Dann wieder kommt die Gegenbewegung zu Wort, warnt vor kleinen Tyrannen und Narzissten und legt unser Augenmerk auf das Beibringen von Empathiefähigkeit. Die grundlegende Richtung der pädagogischen Ratgeberliteratur stimmt, würde ich meinen. Kinder sollen als Wesen mit genetischen Geschenken wahrgenommen und in ihrem Wesen akzeptiert werden. Respektvoller, wertschätzender Umgang und eine klare Kommunikation führen automatisch zu einer hohen Empathiefähigkeit. Ein Kind, das den Luxus hat, so aufwachsen zu können, bringt alles mit, um sich selbst förderlich in die Gesellschaft einzugliedern und einen Beitrag für ein friedliches, tolerantes Miteinander zu leisten.

Soweit mein Plädoyer für eine Begleitung von jungen Menschen mit einem Fokus auf deren Stärken.

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